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Orgie am Chef’s Table in Goldegg

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Wo man Köchen beim Bereiten eines „Gicht-Menüs“ zuschaut. Zu Gast in der Küche von Sepp Schellhorns Seehof.

Sepp Schellhorn grinste breit und bot ein „Gicht-Menü“. Die Vorkosterin grinste ebenso breit zurück, beide besprachen Details. Wir saßen im Goldegger Seehof, aber nicht im Restaurant namens Hecht! Sondern in der Küche, auf dem Chef’s Table. Den kann man regulär buchen. Der Vorkoster wollte schon immer wissen, was man da erlebt.

Früher wäre das nicht gegangen. Früher hätte kein Koch einen Gast in die Küche gelassen, wegen des rauen Tons. Da wurden Befehle gebrüllt, der Lehrling zur Sau gemacht und ähnlich laute Sachen. „Das geht heute nicht mehr“, sagt René Leitgeb. „Die Mitarbeiter würden sofort gehen“. Er ist Küchenchef hier und behandelt seine Leute angenehm kollegial. Es sorgte der Fachkräfte-Mangel für ziviles Klima in den Küchen.

Was sieht man vom Chef’s Table aus? Einen riesigen Herd, dessen Basis spektakulär rot leuchtet, Dampf aus Pfannen steigen, ein konzentriertes Küchenteam mit abgestimmten Abläufen. „Wie ein Ballett“, befand die Vorkosterin. Profis eben. Man nimmt am Restaurant-Leben teil. Im Saal war eine Schar Kinder zu versorgen, mit Spaghetti. Wenig später orderte die Kellnerin viermal Nachschlag. Hat also geschmeckt.

Sepp Schellhorn ist der Eigentümer. Von Donnerstag bis Samstag kommt auch er in die Küche. Was bei manchen Menschen für Erstaunen sorgt: „Sie arbeiten?“. Offenbar erwartet man das nicht von einem Nationalrats-Abgeordneten. Seine Liebe? Innereien. Sie haben gerade ein Kalb verarbeitet. Und wie ist das mit der Gicht-Gefahr? Alles eine Frage der Dosis. Zuviel Leber & Co wäre tatsächlich ungesund.

Dann war auch unser Bries fertig, Leitgeb löffelte die Sauce auf einen Teller. Blieb da nicht etwas zurück in der Pfanne? Der Appetit verführt zum Geiz. Tatsächlich schmeckte das Bries richtig fein. Und die Sauce – buttrig, vollmundig, ein Traum. Aufzutunken mit hausgemachtem Ciabatta, sie erzählten, wie lang es dauerte, den richten Sauerteig für das Weißbrot zu finden.

Champagner-Kutteln kamen, „die besten meines Lebens“, schwärmte die Vorkosterin. Sie gab gerade einen Probier-Löffel ab. Die zarte Leber hatte eine kräftige Rotweinreduktion als Basis. Die Niere glänzte mit einem Fettrand. Zum ersten Bissen musste sich der Vorkoster überwinden. Niere? Talg? Hartes Zeug? Nein, feinste Struktur, sanfter Nuss-Ton. Lob an Leitgeb, der freute sich und verriet, dass er die Sauce mit Hühnerfond aufgebessert hatte. Das ist das Schöne am Chef’s Table, man kann direkt mit den Köchen diskutieren.

Aber Innereien? Wer sich traut, wird belohnt mit einem ganz eigenen, herben Aroma. Und wer nicht will: Sie servieren auch Strozzapreti, die „Priesterwürger“, also eine Pasta, hier gereicht mit wunderbaren Schmortomaten. Oder ein Kalbsfilet im Kräutergarten, in dem man auch Vogelwicke findet. Dessert? Ein Topfelsoufflée von exquisiter Leichtigkeit – aus der heißen Pfanne zu löffeln.

Nun waren alle Speisen draußen, die Köche schäumten jeden Quadratzentimeter Stahloberfläche ein. Männer? Putzen? Köche können das. Natürlich haben wir nur die Endfertigung der Gerichte beobachten können, die stundenlangen Vorarbeiten sieht man nicht. Es wächst der Respekt vor gutem Handwerk.

Am nächsten Abend aßen wir im Restaurant. Auch toll, aber ein bissl weniger spannend. Wir brauchen mehr Chef’s Tables!

Der Seehof, Hofmark 8, 5622 Goldegg, Tel. 06415/81370, www.derseehof.at


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